Museum des 20. Jahrhunderts Berlin

Das Friedrichsdenkmal von Friedrich Gilly als reproduktives Vorbild

Das heutige Kulturforum wird vor dem Hintergrund der Stadtlandschaft durch herausragende Architekturikonen des 20. Jahrhunderts, die ohne räumlichen Bezug zueinander stehen in seiner Gestaltung und Atmosphäre geprägt. Die isoliert stehenden weltweit bedeutenden Bauten werden ebenfalls als Exponate des neuen Museums des 20. Jahrhunderts betrachtet und sollen erfahrbar gemacht werden.

Durch die reproduktive Aneignung des großartigen Entwurfes von Friedrich Gilly 1797 zu einem Friedrichsdenkmal wird endlich nachträglich der genealogische Grundstein der Idee der Stadtlandschaft gesetzt und damit eine Kontinuität zwischen der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe und dem Museum des 20. Jahrhunderts hergestellt.

In der architektonischen Haltung wird somit zum ersten mal in der Geschichte des Kulturforums, das bisher durch formale Brüche bestimmt wird, eine Form der Inbeziehungsetzung erzeugt, die sich räumlich und architektonisch klärend auf das Umfeld auswirkt und der Vorstellung der Auslober von einem Ort der Irritation entspricht. Gleichzeitig wird dem gesamten Kulturforum die gewünschte eindeutige Adresse verliehen. Das identitätsstiftende Bauwerk lädt durch seine vielfältigen Sicht- und Wegebeziehungen die offene Gesellschaft zur tätigen Auseinandersetzung mit der Kunst des 20. Jahrhunderts ein.

Städtebauliche Einbindung

Das große Gebäude positioniert sich ganz selbstverständlich mit seiner Längsseite parallel zur Potsdamer Straße und ermöglich damit die städtebauliche Klärung des Umfeldes. Durch die Staffelung der Baukörper fügt es sich in die Maßstäblichkeit des Kulturforums ein. Die mit der präzisen Setzung des Baukörpers definierten Außenräume erhalten eine eindeutige Fassung im Sinne des freiraumplanerischen Konzepts des Büros Valentien und Valentien.

Durch die Positionierung der Haupteingänge sowie der Zugänge zu den Freitreppen auf das Gebäude werden nicht nur die vorhandenen Wegebeziehungen aufgenommen und gestärkt, sondern räumlich erst erfahrbar gemacht. Die visuell und funktional selbstverständliche städtebauliche Einbindung des Museums in das Kulturforum wird somit für den Besucher räumlich erlebbar und erfahrbar gemacht.

Raumkonzept – Innenräume, Erschließung, Belichtung

Das Raumkonzept wird bestimmt durch eine klare räumliche Struktur, die vielfältige und komplexe Möglichkeiten der Präsentation und Vermittlung bietet. Der Baukörper wird durch die konzeptionelle Vermeidung von klassischen Erschließungsfluren oder Korridoren überaus kompakt und übersichtlich organisiert.

Auf der Grundlage dieser einfachen und logischen Struktur werden unterschiedliche rechteckige Räume in verschiedenen Größen und Höhen angeboten. Dadurch wird die Individualität der einzelnen Räume ebenso gestärkt, wie die Komplexität und der räumliche Reichtum damit angemessen erweitert werden.

Die unterschiedlichen Arten der Beleuchtung, zumeist Kunstlicht, aber auch natürliches Oberlicht, Seitenlicht oder der freie Himmel rücken die jeweiligen Exponate in das rechte Licht. Die innere Struktur ermöglicht auch ganz selbstverständlich Bereiche, in denen sich die Besucher zurückziehen können und in Kontakt mit anderen kommen können, ohne Besucher die sich der vertiefenden Kunstbetrachtung widmen, zu stören.

Die gewählte Grundkonzeption stellt zudem eine ganz selbstverständliche Eingliederung und Ausgestaltung der unterschiedlichen Sonderräume sicher. So dient die obere stützenfreie Säulenhalle mit ihrer großen Höhe zur spektakulären Ausstellung großformatiger Skulpturen. Die Sonderräume der Sammlung Marx und „Das Kapital“ von Joseph Beuys sind in den hohen stützenfreien Räumen im ersten Obergeschoss vorgesehen um ihrer Bedeutung Rechnung zu tragen und optimale Ausstellungsbedingungen zu schaffen.

Sowohl in der vertikalen wie auch in der geschossweisen horizontalen Organisation der Räume ergibt sich durch den Wechsel größerer und kleinerer Räume die Möglichkeit die Vielfalt der Kunst des 20. Jahrhunderts angemessen zu präsentieren und vor allem erfahrbar zu machen.

Die Bewegung durch das Haus und vor allem auf den großzügigen begehbaren Dächern der Sockelgeschosse ist gleichzeitig eine Bewegung im stadtlandschaftlichen Raum. Das Emporsteigen über die breiten Freitreppen und den gestaffelten Unterbau ermöglicht zahlreiche Blickbezüge zur bestehenden Bebauung des Kulturforums und belohnt den Aufsteigenden mit einem atemberaubenden Blick über die Dächer der Stadt.

Innere und äußere Erschließung werden zu einem unvergleichlichen Erlebnis: Das Umfeld tritt durch die visuellen Bezüge geradezu in das neu geschaffene Museum ein. Die Grenzen zwischen dem Inneren des Museums mit seinen Exponaten und dem umliegenden Kulturforum als dem größten Exponats des Museums verwischen sich auf inszenierte Weise.

Außenräume

Die öffentlichen Außenräume des Gebäudes in Form von großen Freitreppen und Terrassen stellen aber nicht nur den Bezug zur Standlandschaft her, sie werden durch die Präsentation und Aufstellung dafür geeigneter Kunstwerke und Skulpturen zur weithin in den Stadtraum sichtbaren Adresse für die Kunst. Die öffentliche Durchwegung des Gebäudes interpretiert die Stadtlandschaft auf eine ganz neue – bzw. reproduktive Weise. Die Öffentlichkeit wird zum Emporsteigen eingeladen um von oben die bewegte Geschichte des 20. Jahrhunderts in Berlin zu erblicken – ohne wirklich in das Gebäude eintreten zu müssen. Das bereits beschlossene Freiraumkonzept aus dem Büro Valentien und Valentien wird in seinen Grundzügen beibehalten und lediglich punktuell durch neue Anpflanzungen oder eine auf den Gebäudeentwurf abgestimmte Materialwahl für die Oberflächen erweitert.

Das Museum des 20. Jahrhunderts findet seinen Höhepunkt hoch oben über den Dächern des Kulturforums, wo sich das erfüllt, was Gilly angesichts seines Entwurfes formulierte:

„Ich kenne keinen schöneren Effekt, als von den Seiten umschlossen, gleichsam vom Weltgetümmel abgeschlossen zu sein und über sich frei, ganz den Himmel zu sehen, abends.“

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